10 Schlüssel zur Mobilisierung von Koalitionen strategischer Kommunikation

 

Dieses Tool des Strategic Communications Incubator bietet neue, praxisbezogene Erkenntnisse darüber, wie man eine Koalition effektiv aufbaut, organisiert und aufrechterhält, um Ziele des Narrative- und Policy-Change zu unterstützen und umzusetzen.

 

Warum diese Schlüssel?

In Anbetracht der weitreichenden Veränderungen, die die strategische Kommunikation auf Systemebene erreichen möchte, besteht eine Grundvoraussetzung darin, dass diese Arbeit mit großer Reichweite durchgeführt werden muss. Daher ist es notwendig, in Netzwerken oder Koalitionen von Partner*innen zu arbeiten. Eine effektive Zusammenarbeit in Koalitionen wird jedoch als durchaus anspruchsvolle Aufgabe angesehen. Dank unserer langjährigen Erfahrung mit der Unterstützung solcher Koalitionen haben wir festgestellt, dass immer wieder ähnliche Herausforderungen auftreten, die die Wirkung der Arbeit einschränken und im schlimmsten Fall dazu führen können, dass Koalitionen zu einem Raum für internen Wettbewerb, politische Manöver und Stagnation werden und letztlich nicht mehr effektiv auf ihr Ziel hinarbeiten.

Wir stützen uns auf die Erfahrungen herausragender Praktiker*innen im Umgang mit strategischen Kommunikationskooperationen, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: Vermeidet konsensmaximierende Ansätze1 and und setzt auf einen ‚Smart Networks‘-Ansatz2 . Dies bedeutet im Wesentlichen, dass die unterschiedlichen Kompetenzen und Beiträge der Mitglieder einer vielfältigen Gruppe so gesteuert werden müssen, dass das gemeinsame Ziel dieses Zusammenschlusses sowie der breiteren Bewegung im Mittelpunkt steht. Dieser Wandel und die Grundzüge der strategischen Kommunikationspraxis bilden den Schwerpunkt dieser Schlüssel.

Es ist wichtig zu erwähnen, dass wir uns nicht auf den Aufbau von Koalitionen im Allgemeinen konzentrieren. Wenn es darum geht, Narrative Change in großem Maßstab zu bewirken, ist eine andere Art des Denkens erforderlich, und es muss eine andere Infrastruktur aufgebaut werden. Die von uns angebotenen Erkenntnisse zielen darauf ab, Netzwerke zu unterstützen, die auf das gemeinsame Ziel eines Narrative- und Policy-Change hinarbeiten.

 

Wie wurden die Schlüssel entwickelt?

Zum einen nutzen wir die Erkenntnisse aus unserer 10-jährigen Praxis, in der wir Netzwerke von Praktiker*innen bei der Erreichung langfristiger Narrative- und Policy-Change Ziele unterstützt haben, zum anderen haben wir die Expertisen herausragender Expert*innen im Aufbau von Koalitionen strategischer Kommunikation genutzt und integriert (insbesondere von Frank Sharry von America's Voice3 , Corey Saylor von ReThink Media4 und Rashad Robinson von Color of Change5 ). Zusätzlich haben wir uns mit der Theorie und Praxis von Smart Networks6 , der Organisierung7 und dem Aufbau von Bewegungen8 beschäftigt.

Unser Ansatz, diese Erkenntnisse in Form von »Schlüsseln« zu präsentieren, ist inspiriert von unserem Tool „12 Schlüssel für die Neuausrichtung der Migrationsdebatte”, das sehr gut aufgenommen wurde und für viele Partner*innen eine hohe Anziehungskraft hat. Es wurden bereits mehr als 5.000 Exemplare in vier Sprachen mit Interessierten geteilt. Bei den neuen Schlüsseln handelt es sich jedoch nicht um eine aktualisierte Version älterer Schlüssel und sie konzentrieren sich leidglich auf die Herausforderungen der Zusammenarbeit in einer Koalition.

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10 Schlüssel zur Mobilisierung von Koalitionen strategischer Kommunikation

 

Schlüssel Erklärung
Diese Praxislektion warnt davor, dass in einem heterogenen Netzwerk ein Ansatz, bei dem eine Botschaft für alle gilt, zwangsläufig zum Scheitern verurteilt ist. Die Mitglieder einer Koalition sollten nicht erwarten, dass alle bereit sind, genau das Gleiche zu sagen. Stattdessen muss bei der Entwicklung einer narrativen Strategie genügend Raum und Freiheit vorhanden sein, so dass deren Mitglieder*innen die Werteappelle, Frames und Einstiegspunkten vermitteln können, die sich für sie authentisch und ehrlich anfühlen. Dieser Ansatz der vielfältigen Botschaften passt auch gut zu einer harmonisierten Narrativ-Strategie, bei der unterschiedliche Werteappelle und Botschaften für unterschiedliche Zielgruppen, z. B. Unterstützer*innen und Skeptiker*innen, erforderlich sind. Wenn man diesen Spielraum lässt, kann man die Mobilisierung in der Koalition maximieren.
Diese Lektion in Sachen Strategie besagt, dass es besser ist, nicht von allen Partner*innen Unterstützung zu verlangen oder Druck auf sie auszuüben, da nicht alle Aktivitäten der Koalition für alle erforderlich oder geeignet sind. Bessere Ergebnisse werden erzielt, wenn sich die Mitglieder je nach Motivation, Verfügbarkeit und Kompetenzen für bestimmte strategische Kommunikationsaktivitäten entscheiden können. So gibt es beispielsweise einige Mitglieder der Gruppe, deren Kernkompetenz die Lobbyarbeit ist, und andere, die über umfassende Erfahrung in der Online-Mobilisierung junger Influencer*innen verfügen. Es ist also ratsam, eine Struktur aufzubauen, die es ermöglicht, Allianzen für bestimmte Initiativen zu schmieden und wieder aufzulösen.
Diese strategische Lektion ist ein eher allgemeiner, anzustrebender Punkt zur Zusammenarbeit: Die Mitglieder sollten nicht einfach nur zusammenarbeiten, sondern eine Kooperation anstreben, die eine Maximierung ihrer individuellen Rollen, Ressourcen, Fähigkeiten, Kompetenzen und des Zugangs zu den unterschiedlichsten Zielgruppen, die für den Narrative- und Policy- Change notwendig sind, darstellt. Wenn alle das tun, was sie wirklich gut können, ist das für alle motivierend (siehe Schlüssel 2) und führt zu besseren Ergebnissen. Es ist ratsam in einer Koalition das Gefühl der Mitglieder zu vermeiden, mit einer Aufgabe betraut zu werden, die weit außerhalb ihrer Komfortzone oder ihres Schwerpunkts liegt.
Diese Lektion zur Strategie warnt davor, dass Koalitionen unweigerlich in endlosen Verhandlungen stecken bleiben, wenn sie sich auf alle Details ihrer gemeinsamen Arbeit einigen wollen. Um die Dinge am Laufen zu halten, ist es besser, sich auf die die breite Strategie, die Botschaften und die Hebelwirkung der Koalition zu einigen, aber es den einzelnen Mitgliedern oder Gruppen zu überlassen, wie sie die Strategie in der Praxis am besten umsetzen. Mit anderen Worten: Versucht, Euch auf ein Minimum zu einigen, nicht auf ein Maximum.
Der Grundgedanke hinter dieser Lektion aus der Praxis ist, dass es für Koalitionen nicht ausreicht, nur mit bestehenden Unterstützer*innen zu arbeiten, wenn das Ziel ist, gesellschaftliche Normen in großem Umfang zu verändern. Die Koalitionen müssen auch ein öffentliches Publikum jenseits ihrer Echokammer/Blase ansprechen – wie die 'bewegliche Mitte', um eine breite Unterstützung und Akzeptanz neuer Narrative zu erreichen (siehe auch Schlüssel 6).
Diese Lektion ist ein Leitprinzip der strategischen Kommunikation. Ausführlichen Umfragen zufolge setzt sich die 'Öffentlichkeit' in vielen Ländern aus etwa 15 % Unterstützer*innen, 15 % Gegner*innen und 70 % in der beweglichen Mitte zusammen. Eine wirksame Koalition strategischer Kommunikation wählt eine ausgewogene Zusammensetzung der Mitglieder, um verschiedene Segmente der Öffentlichkeit mit verschiedenen Taktiken anzusprechen, die für das breitere Ziel der Bewegung erforderlich sind. Im Mittelpunkt dieser Taktik der Ausgewogenheit steht die Tatsache, dass Koalitionen ihre Zielgruppen erweitern müssen, insbesondere wenn man bedenkt, wie groß die Mitte ist und wie viel ungenutztes Potenzial sie bietet, um die öffentliche Debatte zu für sich zu entscheiden und genügend Unterstützung für vorgeschlagene Policy/gesetzliche Änderungen zu erhalten.
Diese Lektion ist ein Leitprinzip der strategischen Kommunikation. Sie warnt davor, Zeit und Energie nur darauf zu verwenden, den Narrativen der Opposition zu widersprechen, denn dies führt laut dem Framing-Experten und Kognitionslinguisten George Lakoff zu einem 'Backfire-Effekt': “Verneinst Du einen Frame, löst Du ihn auch aus”. Stattdessen wird eine Koalition der strategischen Kommunikation proaktiv versuchen, die Debatte anzuführen, um die Agenda mit ihren Werten und der Geschichte, die sie erzählen will, zu bestimmen. Damit soll nicht gesagt werden, dass die Positionen der Opposition nicht angesprochen werden sollten, aber man sollte sicherstellen, dass die proaktive Kommunikation mindestens genauso prominent ist wie die Reaktionen.
Diese Lektion ist Teil unserer Theory of Change der strategischen Kommunikation (inspiriert von Rashad Robinson). Wir sehen strategische Kommunikation als den langfristigen Prozess der Transformation öffentlicher Narrative, die die Grenzen der politischen und öffentlichen Akzeptanz von Policy und rechtlichen Entscheidungen bestimmen. Um diese Grenzen nachhaltig zu verschieben, muss man den eigenen Narrativen in den Medien eine konsistente Stimme, Sichtbarkeit und einen raumfüllenden Klang verleihen, so dass sie auf breiter Ebene bekannt werden (Präsenz erreichen); wichtig ist auch die Konzeption und Umsetzung ansprechender Maßnahmen, um die Narrative im Alltagsdenken und in der Alltagspraxis zu verankern, so dass sie sich zu eigen gemacht und mit Leben gefüllt werden (Immersion erreichen).
Diese Lektion ist auch Teil unserer Theory of Change der strategischen Kommunikation. Dadurch, dass das Ziel-Narrativ nicht nur bekannt ist (Erreichen von Präsenz) sondern auch internalisiert wird (Erreichen von Immersion), zielt ein strategischer Kommunikationsansatz darauf ab, eine Veränderung der bestehenden Normen zu bewirken und die öffentliche Unterstützung und den politischen Willen aufzubauen, um den Boden für eine Veränderung der festgeschriebenen Regeln der Gesetze und Policy zu bereiten. Daher ist eine enge Abstimmung der öffentlichen und Interessenvertretungsarbeit so entscheidend.
Bei dieser strategischen Lektion geht es um eine andere Denkweise. Mitglieder einer Koalition sollten bei ihrer Planung und Umsetzung die längerfristigen Ziele der Bewegung in den Vordergrund stellen – nicht nur die Ziele ihrer eigenen Organisation. Sie sollten eine ‚Geben-um-zu-erhalten‘ Mentalität annehmen, indem sie Erfahrungen und Ressourcen radikal teilen, die Zusammenarbeit maximieren und interne Konkurrenz minimieren.

 

Dieses Tool wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Robert Bosch Stiftung finanziert. Die englische Version wurde von den Open Society Foundations finanziert.

Die Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung des BMFSFJ oder des BAFzA dar. Für inhaltliche Aussagen tragen die Autorinnen und Autoren die Verantwortung.