3.3 Vorbereitung des Teams

Der dritte Schritt des Planungsprozesses für eine Narrative-Change-Kampagne - Vorbereitung auf Antworten und aktives Engagement -  besteht aus drei Elementen, die Euch die Möglichkeit geben, die im vorherigen Schritt vorbereiteten Kampagnenteile zu testen, und Euch zum Kampagnen-Start im nächsten Schritt führen. Auf dieser Seite konzentrieren wir uns auf das dritte Element: die Vorbereitung des Teams.

VORBEREITUNG AUF ANTWORTEN UND ENGAGEMENT

Elemente

  1. Testen & Anpassen von Kampagnenelementen

  2. Entwicklung von Gesprächspunkten

  3. Vorbereitung des Teams


Die meisten Narrative-Change-Kampagnen beziehen eine Gruppe von Menschen mit ein, die direkt und zielgerichtet verschiedene Zielgruppen von Politiker*innen über Journalist*innen bis hin zur Allgemeinheit ansprechen. Diese Personen können die Rolle des Hauptsprechers/der Hauptsprecherin der Kampagne spielen oder auch alle möglichen Nebenrollen, vom Moderator bzw. der Moderatorin über Presseverantwortliche bis hin zu Aktivist*innen, die von Tür zu Tür gehen, um Einzelpersonen in Gespräche zu verwickeln. Alle diese Personen müssen die gleichen grundlegenden Informationen und Botschaften haben und auf gleicher Linie sein. Vor allem aber und in Übereinstimmung mit dem in diesem Handbuch dargelegten Reframing-Ansatz müssen sie bereit sein, die Zielgruppen so anzusprechen, dass auch diejenigen aus der Mitte mit Eurer Kampagne und Botschaften “warm werden” können. Dies trägt dazu bei, eine Öffnung für den Dialog zu schaffen, der ein wichtiger Ausgangspunkt für die Kampagne ist und die Tür zu einem echten Gespräch aufmacht.
 
In diesem Abschnitt konzentrieren wir uns nicht auf die Anleitung zur Durchführung von Medieninterviews oder den Umgang mit politischen Entscheidungsträger*innen, sondern darauf, wie wir die Zielgruppen aus der Mitte effektiv ansprechen können. Dies wird in vielen anderen Leitfäden nicht behandelt und stellt die größte Herausforderung für unsere Partner*innen aus der Zivilgesellschaft dar. Darüber hinaus erfuhren wir von erfahrenen Aktivist*innen, dass es dieses Mitte-Publikum ist, das Ihr in einer Medieninterview-Situation im Hinterkopf behalten solltet, da es sich hierbei um diejenigen handelt, zu denen Ihr letztendlich versucht, Verbindungen aufzubauen. Das bedeutet, dass Ihr, wenn Ihr mit Journalist*innen sprecht, die Fragen tatsächlich so beantworten sollten, als würdet Ihr mit jemandem aus den Mitte-Segmenten sprechen.
 
Um Euren Vorbereitungsprozess zu unterstützen, skizzieren wir zunächst drei Leitprinzipien für einen Ansatz, der darauf abzielt, das Mitte-Publikum auf der Grundlage der Prinzipien des Dialogs und der Höflichkeit konstruktiv einzubeziehen. Auf der folgenden Seite stellen wir dann drei praktische Techniken zur Umsetzung dieser Prinzipien vor, die das Team bei der Vorbereitung auf die verschiedenen Kommunikationsherausforderungen unterstützen sollen, mit denen es in der Kampagne konfrontiert sein wird.

 

Grundsätze für einen dialogzentrierten Ansatz

 

Prinzip 1: Entwurf für einen offenen, zivil geführten Dialog

Die Logik eines auf Höflichkeit basierenden Kampagnenansatzes ist diesem Toolkit inhärent, da wir die Notwendigkeit erkennen, mit der beweglichen Mitte in Kontakt zu treten, um ein umfassenderes gesellschaftliches Problem zu lösen. Wenn wir der Meinung sind, dass die Lösung gesellschaftlicher Probleme verschiedene Gruppen von Menschen einbeziehen muss, die nicht unbedingt mit uns übereinstimmen, und wir in einen Raum des „gewaltfreien Zusammenlebens“ übergehen wollen, dann ist ein Ansatz, der auf der Einbeziehung und Überzeugung von Menschen basiert, die nicht auf unserer Seite sind und sich nicht zivil verhalten, einfach unerlässlich1 . Eine Kapitelüberschrift aus dem Buch von Haidt (der bereits erwähnte Moralpsychologe) stellt die Herausforderung perfekt dar: „Wieso können wir uns nicht konstruktiv streiten?”2 . Bei dieser Auffassung von Höflichkeit geht es nicht um Manieren oder Höflichkeit um des Status willens; es geht vielmehr darum, mit grundlegender Höflichkeit den Ansichten anderer zuzuhören und auf eine Weise zu reagieren, die einen vernünftigen Ton trifft und versucht, einen Dialog zu eröffnen, auch wenn man mit deren Standpunkt nicht einverstanden ist3 . Dieses Verhalten zeigt auch, dass Ihr Euch als konstruktive Partner*innen an einer gemeinsamen Herausforderung beteiligt4

FALLBEISPIEL 2 – Shrewsbury Prayer Centre – HOPE not hate – Großbritannien
Die Kampagne von HOPE not hate zielte auf den Frame „Anstand“. Ihre konstruktive Herangehensweise an die Debatte stand im krassen Gegensatz zum Verhalten der extremen Rechten, die gewaltsam auf den Straßen protestierten. Ihre Linie wurde durch Anstand bestimmt, indem sie sagten, sie seien konstruktive, vernünftige Menschen und bereit, auf zivile Art und Weise zu diskutieren. Dieser versöhnliche Ansatz wirkte auch gut auf das Mitte-Publikum.


 

Prinzip 2: Bereitet Euer Team darauf vor, sich mehr auf den Dialog zu konzentrieren als auf das Gewinnen des Streits.

Die Annahmen vieler fortschrittlicher Aktivist*innen bei der Einbeziehung der Öffentlichkeit lauten, dass es unsere Aufgabe ist, sie davon zu überzeugen, dass wir Recht haben, ihnen zu zeigen, dass sie Unrecht haben, und sie dazu zu bringen, es zuzugeben – ein Nullsummenspiel5 . Wie wir jedoch in diesem Toolkit wiederholt haben, handelt es sich um eine Diskussion voller Emotionen, in der die beteiligten Personen so sehr an ihre Geschichten gebunden sind, dass sich ein rein rationaler Ansatz selten durchsetzen wird. Um eine wichtige Quelle zu diesem Thema zu zitieren: „Bei schwierigen Gesprächen geht es fast nie darum, die Fakten richtig zu verstehen. Es geht um widersprüchliche Wahrnehmungen, Interpretationen und Werte.“6 . Und wir glauben, dass sich eine bessere Auseinandersetzung mit diesen widersprüchlichen Werten der angestrebten mittleren Segmente lohnt. Das bedeutet:

  • emotional klug zu sein, 
  • die Diskussionen zu eröffnen, damit sich Euer Publikum in das Gespräch einbezogen fühlt, 
  • dass seine Standpunkte respektiert werden 
  • und dass es Raum gibt, Fragen zu stellen und sich zu überzeugen. 

Ganz klar: Dieser Ansatz beinhaltet nicht, dass Ihr Eure Meinung ändert müsst, aber Eure Herangehensweise und Euer Ton sollten sich darauf konzentrieren, unvoreingenommen und von den Grundsätzen der Höflichkeit geleitet zu sein.

Dieser Ansatz kann auch Kritik von anderen progressiven Kräften hervorrufen, die ihn als Ausverkauf verstehen. Eine gute Antwort auf diese Herausforderung findet Ihr in unseren Kampagnengrundsätzen: „Verstehen heißt nicht Zustimmen.“ Oder anders ausgedrückt: Sich in einer verständnisvollen Art und Weise einzubringen, bedeutet keine Zustimmung. Der Grund, warum wir die Mitte auf zivile Weise einbeziehen müssen, ist, dass sie neben den bestehenden Unterstützer*innen ein wichtiger Teil der Lösung ist. Deshalb müssen wir zunächst die Türen für ein Gespräch öffnen, das es uns ermöglicht, die Themen auf eine Weise zu diskutieren, die eine Chance bietet, die Mitte zu überzeugen.

FALLBEISPIEL 4 – Gerüchte-Küche – COMMUNITYartCENTERmannheim – Deutschland
Die gesamte Kampagne basiert auf einem nicht-wertenden Prozess des Zuhörens und der Diskussion, bei dem Passant*innen an ausgewählten Orten in der Stadt Mannheim in den Empfangsbereich einer eigens dafür errichteten Installation eingeladen und gebeten wurden, ein Gerücht über Migration zu erzählen. Die beiden Künstler*innen, die die Gerüchteküche betreiben, beschrieben, wie sie daran arbeiteten, das Vertrauen der Gäste zu stärken, indem sie respektvoll zuhörten und die Gerüchte ohne Kommentar oder Urteil notierten (obwohl sie persönlich viele der Gerüchte für geschmacklos oder schlimmer hielten).
Die Gäste wurden dann eingeladen, einen Platz im Esszimmer der Installation einzunehmen, während die Künstler*innen in den Küchenraum gingen und ein Gericht vorbereiteten, das gemeinsam gegessen werden sollte. Die Zutaten des Gerichts stellten die verschiedenen Elemente der Erzählung dar, die das Gerücht des Gastes untermauern. Dieser unkonventionelle und kreative Prozess eröffnete den Raum für eine konstruktive Diskussion, während die gemeinsame Mahlzeit auch dazu diente, die Verbindung und das Wohlbefinden aller Beteiligten zu fördern. Es gibt in der Tat viele Kampagnen, die versuchen, diese neuen Erfahrungen zu vermitteln, um eine solche Tür für einen konstruktiven Dialog zu öffnen.


 

Prinzip 3: Bedient keine populistischen Karikaturen, sondern entwaffnet sie, indem Ihr Euch beteiligt.

Wie bereits erwähnt „kann der Populismus nur in der Polarisierung überleben. Er funktioniert durch Karikatur, durch die unendliche Verunglimpfung eines überzeichneten Feindes“7 . Konservative parodieren oft überzeichnete Progressive als schwach, wütend, unkontrolliert, weichherzig, unpatriotisch, uninformiert und elitär8 . Entsprechend einfach ist der allgemeine Rat: Sei nicht das Stereotyp, das sie erwarten. Die belehrenden Nullsummen-Ansätze einiger Progressiver, deren Hauptanliegen sich darin erschöpft, Gegner*innen das Gegenteil zu beweisen, gießen letztendlich nur Öl ins Feuer – egal, ob man objektiv das Argument „gewinnt“ oder nicht. Es ist sehr wichtig, sich auf einen Ansatz des Zuhörens, Verstehens, die Anwendung eines vernünftigen Tons und den Aufbau von Empathie zu konzentrieren. Dieser Ansatz entwaffnet das Klischee und öffnet die Tür für ein Gespräch mit Eurem Zielpublikum in der Mitte.

 

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  • 1Bejan, T. M. (2017). Mere civility: Disagreement and the limits of toleration. Harvard University Press. & Bybee, K. J. (2016). How civility works. Stanford Briefs, an imprint of Stanford University Press: Stanford, California.
  • 2Haidt, Jonathon (2012). The righteous mind: Why good people are divided by politics and religion. New York: Pantheon Books.
  • 3Lakoff, George (2014) Don't think of an elephant!: know your values and frame the debate : the essential guide for progressives. 2nd Edition. White River Junction, Vt, Chelsea Green Pub. Co.
  • 4Stone, D., Patton, B., & Heen, S. (2000). Difficult conversations: How to discuss what matters most. New York, N.Y: Penguin Books.
  • 5Stone, D., Patton, B., & Heen, S. (2000)
  • 6Stone, D., Patton, B., & Heen, S. (2000)
  • 7Rondón, Andrés Miguel (2017) How to Culture Jam a Populist in Four Easy Steps.
  • 8Lakoff, George (2014)