Kapitel 4-1 Die #KommMit-Strategie & Messaging
Dieses Kapitel der Toolbox konzentriert sich auf die Zielgruppe, die Werteapelle und das Messaging, welche/s als Grundlage für die #KommMit-Pilotstrategie dienten. Genauer gesagt, erhältst Du in diesem Kapitel einen Einblick in:
- die Schlüsselelemente der Strategie und das Messaging, die im Pilotprojekt verwendet wurden
- die Prozessschritte bei der Entwicklung der Botschaften
- die für die Entwicklung der Strategie verwendeten Forschung, Evidenz und Instrumente.
Im gesamten Kapitel findest Du Checklisten, die Dir helfen, über die strategische Ebene des Narrative Change nachzudenken und damit zu beginnen.
4.1 Übersicht über die #KommMit-Pilotstrategie
Der Pitch:
Genau diese Einblicke fehlen uns oft. Einblicke in den Alltag muslimischer Menschen. Sie alle prägen unsere Gesellschaft: als Kolleg*innen, Nachbar*innen und Freunde - durch Höhen und Tiefen. Um eine bessere Zukunft für uns alle zu gestalten, stehen wir als Gemeinschaft füreinander ein. #KommMit und erlebe die Energie der Gemeinschaft.” (siehe #KommMit-Webseite)
Kernsatz von Wertvorstellungen, auf denen das Messaging und die Inhalte aufbauen:
Die Topline-Narrative, auf denen das Messaging und die Inhalte aufbauen:
In (diesen) herausfordernden Zeiten gewinnt jede Gemeinschaft im Kleinen und im Großen nur, wenn wir alle an einem Strang ziehen - egal was wir tun, wie wir aussehen oder was wir glauben.
2. generationenübergreifende Zukunft -
Jeder in Deutschland, unabhängig von Haarfarbe, Herkunft oder Glaube, trägt seinen Teil dazu bei, Wissen, Fähigkeiten und Traditionen an die nächste Generation weiterzugeben. Gemeinsam können wir eine bessere Zukunft für die junge Generation verwirklichen.
3. Gemeinsame Herausforderung des Umzugs -
Alle Menschen in Deutschland, unabhängig von Haarfarbe, Herkunft oder Glaube, stehen bei einem Umzug vor ähnlichen Herausforderungen, sich in neue Gemeinschaften zu integrieren.
4.2 Hintergrund & strategisches Ziel des #KommMit-Pilotprojektes
Wir haben im Dezember 2021 zwei Fokusgruppen mit Mitgliedern des Segments „Die Etablierten“ durchgeführt, um Botschaftsentwürfe und potenzielle Stories zu testen, und dabei eine Chance und eine Herausforderung identifiziert. Die Fokusgruppen bestätigten die allgemeine Erkenntnis, die als Begründung für die Wahl der Zielgruppe „Die Etablierten“ diente und sich in der Zusammenfassung der Segmentierung widerspiegelt, d. h., sie sind im Durchschnitt recht positiv gegenüber der Migration eingestellt, aber eher „unsicher“ gegenüber Muslim*innen und dem Islam1
. Die Fokusgruppendiskussionen bestätigten auch, dass „Die Etablierten“ gut auf Stories ansprechen können, die auf den gewählten gemeinsamen Werten, Erfahrungen und Erwartungen aufbauen, und dass dies wiederum ein konstruktives, auf Zusammenhalt ausgerichtetes Gespräch eröffnen kann.
Die herausfordernde Seite wurde jedoch auch in den von ihnen genannten Frames deutlich, dass diese sie überwiegend in der Weltanschauung „Muslim ist automatisch gleich Nicht-Deutscher/Ausländer“ und der „Einbahnstraßen“-Idee der Integration halten, d. h. einer assimilatorischen Perspektive, bei der die Integration vollständig von den Bemühungen der Migrant*innen abhängt. In der Studie von 2021 über die öffentliche Einstellung zur Migration in Deutschland erörtert More in Common2
die Tatsache, dass die „essentialistische “ Vorstellung von Deutschen und Ausländern sowohl in der Policy als auch in der Einstellung kodiert ist, und drückt die Notwendigkeit aus, das Denken über Deutschland als eine Einwanderungsgesellschaft mit viel komplexeren Identitätsmustern zu verbreiten.
Dieser Essentialismus ging in den Fokusgruppen noch weiter bis hin zu Annahmen über die Lebensformen, die sie mit Muslim*innen in Deutschland assoziieren, d. h., die „Etablierten“ glauben, dass Muslim*innen nicht integriert sind und dass sie, genau wie Geflüchtete und Asylbewerber, vom Staat abhängig sind. So ist es nicht verwunderlich, dass Erfolgsstories oder auch nur die von uns erzählten Alltagsstories, die nicht in diese Frames passen, schnell in Frage gestellt und als Ausnahmen und nicht als Realität der Integration in der Praxis bezeichnet werden, da dieses Segment glaubt, dass Integration in der Praxis nicht wirklich funktioniert. Diese skeptische Sicht auf die Integration ist auch ein vorherrschendes Bild in der Debatte in den sozialen Medien, das wir als „Parallelgesellschaft“ bezeichnet haben.
Strategisches Ziel: Aufbau der Präsenz resonanzfähiger Post-Migrationsstories
Obwohl man eindeutig argumentieren kann, dass solchen Einstellungen und Frames rassistische Züge zugrunde liegen, können wir aus einer Narrative-Perspektive erkennen, dass diese Zielgruppe offen für ein neues Denken in diesem Bereich ist. Der Ausgangspunkt für den notwendigen Wandel kann darin gesehen werden, werteorientierte Stories über die menschlichen und gesellschaftlichen Realitäten der muslimischen Communities in Deutschland zu verbreiten und damit das Kräfteverhältnis in der Debatte zu verändern. Wertebasierte Stories, die eine viel menschlichere und inklusivere Botschaft vermitteln, sind das Sprungbrett für ein nützliches Reframing für mittlere Gruppen. Wenn solche Stories einprägsam und eindrucksvoll sind, können diese Zielgruppen sie sogar nacherzählen, wenn diese Anliegen in ihren Alltagsgesprächen wieder auftauchen. Diese Stories müssen die Realität des muslimischen Lebens in Deutschland und den Post-Migrations-/Post-Integrationscharakter vieler Communities zeigen, was derzeit im öffentlichen Diskurs überhaupt nicht vorkommt.
Technisch ausgedrückt folgt diese Logik einem strategischen Kommunikationsmodell: Wenn eine deutlich höhere Präsenz komplexerer Identitätsdarstellungen und -Stories erreicht würde, dann würde sich mit der Zeit in dieser Zielgruppe langsam eine höhere Akzeptanz für komplexere gesellschaftliche und menschliche Realitäten einstellen.
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- 1Siehe eine kurze Beschreibung der „ Etablierten “ und anderer Segmente in dieser Debatte. ICPA (2021)
- 2More in Common (2021) Zusammenhalt in der Einwanderungsgesellschaft: Wie die sechs gesellschaftlichen Typen über Migration denken.