2.6 Messenger & Unterstützer*innen
Der zweite Schritt des Planungsprozesses der Narrative-Change-Kampagnen - Ausbau der Elemente - besteht aus acht Elementen, die Euch durch die Entwicklung der Kampagnentools und -ansätze führen. Auf dieser Seite konzentrieren wir uns auf das sechste Element: Messenger und Unterstützer*innen.
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Botschaften
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Geschichten
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Slogans & Hashtags
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Belege
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Bildmaterial
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Messenger & Unterstützer*innen
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Forum/Publikation
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Aktionsplan
Auch wenn die Elemente in der Tabelle als aufeinander aufbauende Abfolge dargestellt sind, werdet Ihr in der Realität in der Ausbauphase Eurer Kampagne häufig zwischen den verschiedenen Schritten hin- und herwechseln.
Im sechsten Element des Ausbauprozesses wenden wir uns einem weiteren Eckpfeiler jeder Narrative-Change-Kampagne zu, mit dem man Vertrauen bei den Zielgruppen aufbaut: den Messengern und Unterstützer*innen. Wie viele Interessenvertreter*innen sagen wir in unserer Arbeit, dass genauso wichtig wie die Botschaft ist, wer sie überbringt. Einfach gesagt bedeutet dies: Genießt die Quelle der Botschaft das Vertrauen Eurer Zielgruppe(n) und Legitimität in der Community. Dann wird es viel einfacher sein, Eure Botschaft zu vermitteln. Tatsächlich bedeutet es einen gewaltigen Vorteil, wenn der Quelle Eurer Botschaft schon geglaubt wird, bevor diese überhaupt angefangen hat zu sprechen. Aber auch das Gegenteil ist der Fall und steht für eine weitere Dimension der vorhersehbaren Irrationalität des menschlichen Verhaltens: Unbekannte oder nicht vertrauenswürdige Quellen lehnen wir oft fast automatisch ab oder ignorieren sie1
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Die Auswahl geeigneter Messenger und Unterstützer*innen umfasst zwei Hauptaufgaben:
Wählt, soweit es möglich ist, Messenger und Unterstützer*innen, die legitime Stimmen für die Mitte darstellen.
Für Eure Kampagnenpläne sucht Ihr im besten Fall nach Messengern, die bei den Mitgliedern Eurer konservativeren Zielsegmente aus der Mitte Vertrauen genießen. Für diese Zielgruppen können dies oft führende Gemeindevetreter*innen, Journalist*innen von vertrauenswürdigen Zeitungen, Menschen in Uniform (Polizei, Feuerwehr usw.), religiöse Führer*innen oder Lehrer*innen sein. Ein gutes Beispiel für eine Organisation, die in den Aufbau eines Netzwerks solcher Messenger investiert: Das National Immigration Forum in den USA hat eine Gruppe namens ‘Bibles, Badges and Business’ („Bibeln, Abzeichen und Unternehmen“) formiert. Bestehend, wie der Name schon suggeriert, aus religiösen Führer*innen, Polizist*innen und Feuerwehr- sowie Geschäftsleuten, die politisch eher rechts stehen, aber auch die Integration von Migrant*innen unterstützen und bereit sind, sich öffentlich dazu zu äußern. Man kann also deutlich erkennen, dass Kampagnen dieser Koalition durch die Zusammenstellung jener Gruppe von Unterstützer*innen eine weitaus höhere Legitimität bei Zielgruppen der Mitte haben werden als solche aus einer betont liberaleren Richtung.
Dies ist ein gutes Beispiel für den Einsatz eines starken Messengers in einer nationalen Kampagne. Die Kampagne zeigt die Besatzung eines Rettungswagens in Deutschland, bei der ein syrischer Flüchtling freiwillig mitwirkt. Der Freiwillige/Geflüchtete sagt: „Dieses Land hat mir Schutz gegeben.“ Der Sanitäter – ein starker und vertrauenswürdiger Messenger für die Mitte, der öffentliche Dienstleistungen erbringt – antwortet: „Jetzt schützen wir es gemeinsam.“ Diese Kampagne ist ein Versuch, eine starke angstbasierte, anti-migrantische Erzählung über die Bedrohung durch alleinreisende junge männliche Geflüchtete neu zu gestalten. Ein derartiges Bild mit diesem Messenger stellt in diesem Rahmen einen Versuch dar, zuerst Resonanz aufzubauen und dann die Art von Dissonanz zu erzeugen, die wir in diesen Leitlinien diskutiert haben, um ein Umdenken anzuregen.
FALLBEISPIEL 1 – British Future – Mohnblumen-Hijab-Kampagne – Großbritannien
In dem Auftaktschreiben für die Kampagne, das im Daily Telegraph (für die Mitte eine vertrauenswürdige Quelle) veröffentlicht wurde, gab es 21 Unterzeichner – neun davon waren aktuelle oder frühere Parlamentsmitglieder, fünf hatten einen Titel (z.B. Sir oder Baron), sieben waren Militäroffiziere und vier Militärhistoriker. Diese Unterstützer sind also nicht nur Menschen, die die Forderungen der Kampagne unterstützen, sondern vor allem Menschen, die bei der Leser*innenschaft des Telegraph und der Mitte in Großbritannien ein gewisses Ansehen genießen.
FALLBEISPIEL 2 – HOPE not hate – Shrewsbury Muslim Prayer Centre – Großbritannien
In der Kampagne richtete sich der Appell an eine Gruppe von konservativen Kreisräten, die über einen Planungsantrag für das Gebetszentrum entscheiden sollten, und basierte auf einem konservativen Kernwert (die Religionsausübungsfreiheit). Es gelang ihnen, auch christliche Führer/Priester, also religiöse Führer aus ihren eigenen Gemeinschaften, davon zu überzeugen, diese Botschaft an die Politiker*innen weiterzugeben.
Arbeitet daran, engagierte und qualifizierte Sprecher*innen und Unterstützer*innen zu gewinnen, die gut zur Kampagne passen.
Wie im zweiten Beispiel deutlich wird, umfasst die Frage der Messenger sowohl diejenigen, die die potenziellen Sprecher*innen der Kampagne sind (buchstäbliche Messenger) als auch jene, die Eure Positionen unterstützen und deren temporären Verfechter*innen sein können. Oftmals ist es schwierig, Einzelne dazu zu bringen, sich zu verpflichten, eine führende Rolle in einer Kampagne zu übernehmen – man kann aber Unterstützer*innen dazu bewegen, bestimmte kleinere Rollen zu spielen und Euch auch öffentlich bei Euren Bemühungen zu unterstützen. Dies ist ein Kerngesichtspunkt bei der Zusammenstellung eines Teams und einer Koalition bzw. eines Bündnisses hinter der Kampagne.
Wie aus dem dritten Fall hervorgeht, entschied sich HOPE not hate, nicht das Gesicht und die Stimme der eigenen Kampagne zu sein. Stattdessen zog sie religiöse Führer hinzu, um diese Rolle zu spielen. Aus den vielen Kampagnen, die wir beraten haben und mit denen wir zusammenarbeiten, ist dies eine wichtige Erkenntnis: Eventuell ist man selbst nicht der richtige Messenger für Kampagnen, die auf die Mitte ausgerichtet sind. Dies mag für einige Aktivisten*innen eine schwierige Erkenntnis sein und bedeutet, dass man sein Ego für die Kampagne beiseitestellen muss! Legitimität ist zwar ein wichtiger Ausgangspunkt für Messenger oder Sprecher*innen, aber in der Praxis müssen sie auch bereit und in der Lage sein, die gewünschte Botschaft in der Kampagne zu vermitteln. Gute Messenger sind in der Regel Menschen mit guten Kommunikationsfähigkeiten, die überzeugend in der Öffentlichkeit sprechen und die warmherzig und engagiert sind. Außerdem müsst Ihr sicher sein, dass sie politisch und interessenbezogen auf der gleichen Seite wie Ihr stehen und nicht von den Botschaften der Kampagne für andere Zwecke abweichen.
Schritt 2.6 – Messenger
- Wen habt Ihr als Sprecher*innen für die Kampagne vorgesehen? Haben sie die Legitimität, von Euren mittleren Zielgruppen akzeptiert oder für glaubwürdig gehalten zu werden?
- Verfügen Eure geplanten Sprecher*innen über die notwendigen Kommunikationsfähigkeiten?
- Welche weitere Unterstützung könnt Ihr von Menschen erhalten, denen das Publikum vertraut?
- Dient Eure Wahl der Sprecher*innen und Unterstützer*innen dazu, die Botschaft der Kampagne zu unterstützen und zu verstärken?
- 1Kahneman, Daniel (2011). Thinking, Fast and Slow. New York: Farrar, Straus and Giroux. & International Centre for Policy Advocacy (2012) Making Research Evidence Matter: A Guide to Policy Advocacy in Transition Countries.